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27.10.2020Wie wird ein Raumanzug gefertigt? Und was hat Raumfahrt mit Mode zu tun? Wir schauen hinter die Kulissen der Fertigung des neuen Astronautinnen-Anzugs, der beim Women Empowerment Training der Astronautin GmbH zum Einsatz kommt.
Im Schaufenster des Modeateliers KAIMAN in der Bremer Ostertorstraße hängen schicke Hosenanzüge, Etui- und Seidenkleider. Doch die beiden Besitzerinnen Andrea und Jennifer Victoria Srowig haben dieses Jahr auch etwas Extraterrestrisches für Frauen gefertigt; ein taillierter, silberglänzender Astronautinnen-Anzug. Dieser ist zwar weniger alltagspraktisch als die Business-Outfits, hat aber einen anderen Vorteil: man fühlt sich außerirdisch gut.
Die besondere Anfrage kam von Claudia Kessler, CEO des Raumfahrt Start-ups Astronautin GmbH. Kessler bietet Management-Workshops mit Elementen aus dem Astronautentraining an. Zielgruppe sind Frauen in Führungspositionen. Mit dem Training werden sie für nächste Karriereschritte startklar gemacht. Die Teilnehmerinnen werden dabei selbst zu Astronautinnen und erfahren, wie belebend ein Schritt über die eigenen Grenzen sein kann. Frauen und Raumfahrt sind zwei von Kesslers Herzensthemen: Sie ist Gründerin des Frauennetzwerks Women in Aerospace Europe (WIA-E) und Ihre Firma ist Teil des ESA Business Incubation Centre Northern Germany.
Für ihre Empowerment-Kurse suchte Kessler noch nach einem besonderen Anzug – bei KAIMAN rannte sie damit offene Türen ein. Seit 1991 designt Andrea Srowig nachhaltige Mode, die komplett in Bremen und Umgebung genäht und hergestellt wird. Vor vier Jahren stieg ihre Tochter Jennifer Victoria ins Geschäft ein. Das Schneiderhandwerk liegt in der Familie. Wenn Jennifer Victoria Srowig ihre Großmutter väterlicherseits besuchte, wurde immer genäht, gehäkelt oder gestrickt. „Meine Großmutter hat früher auch für KAIMAN gefertigt, das handwerkliche Knowhow konnte so weitergegeben werden.“
Doch Kesslers Anfrage passte nicht nur wegen der Design- und Schneiderkompetenz. Andrea Srowigs Ehemann Peter arbeitet in der Raumfahrtindustrie. Eine Reise zum Raketenstartplatz in Kourou, Französisch Guyana inspirierte sie zu ihrem Geschäftsnamen KAIMAN. Dort sah Srowig zum ersten Mal die Alligatorengattung. Und auch ihre Tochter Jennifer Victoria schrieb ihre Bachelor- und Masterarbeit in der Raumfahrtindustrie.
Claudia Kessler brachte den Designerinnen einen Stoff aus der Gießerei-Technik. „Der kann auch zum Schweißen genutzt werden“, so Kessler. Trotz der Schwere des Stoffs hat dieser nur äußerlich etwas mit einem Anzug gemeinsam, der für das All geeignet ist. Für Außenbordarbeiten an der ISS etwa müssen Raumanzüge die Astronauten schützen und ein Stück Erde in fast 500 Kilometern Höhe simulieren. „Das wäre natürlich viel zu teuer gewesen“, sagt Claudia Kessler. Ein Raumanzug kostet mehrere Millionen Euro.
Das Design machte dem KAIMAN-Team viel Spaß. „Wir wollten etwas Spaciges und Frauliches entwickeln, das zukunftsorientiert und gleichzeitig bodenständig aussieht“, sagt Jennifer Victoria Srowig. Die Anforderungen: Er sollte beweglich sein, die Weiblichkeit zum Ausdruck bringen und nicht allzu schwer sein. Sie verarbeiteten fast fünf Meter des schweren Stoffes; „das geht natürlich ins Gewicht und in die Steifheit“, so Jennifer Victoria Srowig. Deswegen mussten sie erfinderisch sein. Sie nähten zusätzliche Stoff-Einsätze ein, so dass man sich besser bewegen kann. Der Stoff ließ sich zwar mit der Industriemaschine nähen, aber nicht mit den herkömmlichen Zuschneidewerkzeugen und Scheren schneiden. Peter Srowig fand in der heimischen Werkstatt eine passende Schere für den schweren Stoff. Sie mussten die Schere immer wieder nachschleifen. Den Anzug nähten sie in Teamarbeit: eine hielt und bog den Stoff, die andere nähte. An dem finalen Produkt war das gesamte KAIMAN Team beteiligt.
Im Mai probierte Claudia Kessler den ersten Entwurf des Anzugs an. „Wir kriegen einen Raumanzug für Bodensimulation, speziell für Frauen geschneidert“, schrieb sie begeistert auf ihrem Instagram-Kanal. „Im Anzug fühlt man sich ganz anders“, erzählt Kessler heute. „Man bewegt sich aus der eigenen Komfortzone, arbeitet in einem beengten Umfeld, kommt ins Schwitzen. Das hilft der psychischen Widerstandskraft und stärkt das Selbstbewusstsein, um Krisen erfolgreich bewältigen zu können“, so Kessler weiter.
Haben auch Sie Lust mal in diesen Anzug zu schlüpfen, an einer Mars Simulations- Mission oder einem Training „nicht ganz von dieser Welt“ teilzunehmen? Dann melden Sie sich bei „Astronautin GmbH.“ Die Trainingstermine finden Sie hier!