Senatorin Vogt begrüßt Ergebnisse der ESA-Ministerratskonferenz 2022
24.11.2022Neues Mitglied im AVIASPACE BREMEN e.V.: FTI Engineering Network GmbH
07.12.2022Am 22. und 23. November 2022 wurden in Paris die Weichen für die europäische Raumfahrt der nächsten Jahre gestellt. Aviaspace Bremen sprach mit Siegfried Monser, Raumfahrt Koordinator des Landes Bremen, über die jüngsten Ergebnisse der ESA-Ministerratskonferenz und Ihre Bedeutung für das Land Bremen.
Herr Monser, wie sind die Ergebnisse der Konferenz insgesamt einzuordnen?
Siegfried Monser: „Die ESA-Ministerratskonferenz 2022 stand im Zeichen globalen Krisenmanagements: der Krieg in der Ukraine mit seinen teils drastischen Auswirkungen auf die Raumfahrt sowie die Energie- und die Klimakrise waren bestimmende Themen. Verbunden damit war aber auch die Einsicht, dass gerade die Raumfahrt sehr viel zur Bewältigung dieser Krisen beitragen kann. Viele Akteure der deutschen Raumfahrt sowie die Branchenverbände waren am Ende positiv überrascht von der Höhe der deutschen Beteiligung an den künftigen ESA-Programmen. Das war im Vorfeld nicht zu erwarten gewesen. Bremen hatte sich schon länger – gemeinsam mit Bayern und Baden-Württemberg – und wie auch der BDLI, für eine Erhöhung des deutschen ESA-Beitrages eingesetzt.“
So lässt sich festhalten, dass Deutschland mit einem Beitrag von 3,5 Mrd. Euro (4 Mrd. Inflationsbereinigt) weiterhin der größte Beitragszahler der ESA ist. Vom Gesamtbudget mit 16,9 Milliarden Euro trägt Deutschland 20,8 Prozent und ist damit mit Frankreich (18,9 Prozent) und Italien (18,2 Prozent) wie bisher auch der stärkste Partner der ESA. Im Vergleich zu 2019 haben Frankreich und Italien ihren Beitrag allerdings deutlich mehr erhöht als Deutschland.
Damit hat Europa seine Ambitionen in der Raumfahrt deutlich unterstrichen, wenn auch die ESA ursprünglich mit 18 Milliarden Euro etwas mehr einsammeln wollte. Mit diesen Entscheidungen verdeutlicht Europa auch den Willen nach eigener Souveränität, besonders in den Bereichen Erdbeobachtung und Klimaschutz, Wissenschaft, Telekommunikation, oder Lunarer Robotik. Dabei wurden internationale Partnerschaften aber nicht außer Acht gelassen, wie z.B. im Artemis Programm der NASA.
Welche Programme hat Deutschland gezeichnet?
„Deutschland ist, wie alle ESA-Mitgliedsstaaten, nach seiner wirtschaftlichen Stärke an den sogenannten ESA-Pflichtprogrammen beteiligt, bei dieser Runde mit 1,15 Mrd. Euro. Darin enthalten sind die ESA-Administration, der Startplatz in Kourou und die bedeutenden Wissenschaftsprogramme.
Nach den vom DLR veröffentlichten Zahlen entfallen rund 2,37 Milliarden Euro des deutschen Beitrags auf die sogenannten optionalen Programme: darunter 669 Millionen Euro für Erdbeobachtung, 365 Millionen Euro für Projekte der Telekommunikation, 50 Millionen Euro für Technologieprogramme, 155 Millionen Euro für Weltraumlage und Weltraumsicherheit, 368 Millionen Euro für Raumtransport und -betrieb sowie rund 726 Millionen Euro für den Bereich astronautische Raumfahrt, Forschung in der Mikrogravitation und Exploration.“
Welche Bedeutung haben die Ergebnisse für Bremen?
„Bremen ist als kleinstes Bundesland das Land mit der höchsten Dichte an Luft- und Raumfahrtaktivitäten in Deutschland und somit hat im Grunde jede ESA-Ministerratskonferenz mehr oder weniger große Auswirkungen.“
Die Bereiche im Einzelnen:
Astronautische Raumfahrt / Weltraumexploration
Die hohe deutsche Zeichnung erlaubt Kontinuität bei der deutschen Führungsrolle in der astronautischen Raumfahrt und der Exploration – das ist sehr wichtig für Bremen. Hier wird bei Airbus das Europäische Service Modul für die Artemis Mondmissionen der NASA gebaut. Mit der Landung des Orion-Raumschiffs im Pazifischen Ozean am 11. Dezember ist die erste Mission erfolgreich abgeschlossen worden. Das zweite ESM für Artemis II, das Astronauten auf dem Mond landen soll, wurde bereits von Airbus an das Kennedy Space Center geliefert. Auch die Entwicklung eines europäischen robotischen Mondlanders mit dem Namen “Argonaut” wurde mit hohem deutschen Anteil gezeichnet. Auch hier rechnen sich Bremer Unternehmen aufgrund ihres Know-hows große Chancen aus. Die ISS mit dem Bremer Columbus-Labor wird bis 2030 weiter betrieben und die ExoMars Mission, die aufgrund des Ukraine Krieges so nicht mehr stattfinden konnte, wird nun von der ESA mit neuen Partnern angegangen. OHB aus Bremen hat bereits Teile zum Landecarrier und zu den Analysegeräten beigesteuert. Hier gibt es nun neue Möglichkeiten.
Erdbeobachtung und Klimaschutz
„Erdbeobachtung und Klimaschutz sind eminent wichtig für das globale Verständnis unserer Erde und präzises Klimamonitoring und somit eine der wichtigsten Aufgaben der Raumfahrt für die Bundesregierung. Und auch hier hat Deutschland die führende Rolle in Europa behalten. Von den 669 Millionen Euro entfallen 185 Millionen Euro auf Copernicus. In Bremen werden bei OHB state-of-the-art Erdbeobachtungssatelliten wie CO2M, EnMap sowie Wettersatelliten gebaut. Auch Unternehmen wie DSI und ZARM Technik sind weltweit wichtige Zulieferer für viele Satellitenprogramme.
New Space
Der Bereich Kommerzialisierung hat einen enormen Aufwind erfahren, den die Mitgliedstaaten mit 100 Millionen Euro unterstützen wollen. Dazu hat die Ministerratskonferenz mehrere Initiativen gestartet und Bewährtes wie die ESA Business Incubation Centres noch weiter gestärkt. Dies wirkt sich positiv für das ESA Business Incubation Centre Northern Germany aus. Der Inkubator hat seinen Sitz im Bremer Innovations- und Technologiezentrum BITZ und im Digital Hub Industrie. Anfang November 2022 sagte der Senat des Landes Bremen eine Verlängerung des Programms um weitere fünf Jahre (bis Ende 2027) zu. Die Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa schaffte somit die finanziellen und organisatorischen Rahmenbedingungen für die Fortführung und inhaltliche Weiterentwicklung des Raumfahrtinkubators.
Raumtransport
Der unabhängige Zugang zum Weltraum ist sicher eines der Kernelemente für Europas Souveränität. Ohne Raumtransport keine Anwendungen aus dem All. Mit den Entscheidungen der Konferenz sind der Markteintritt und der Betrieb der Ariane 6 gesichert. Durch die Beteiligung am Technologie- und Qualifizierungsprogramm für künftige Träger (Future Launchers Preparatory Programme) sind auch notwendige Weiterentwicklungen wie die Entwicklung einer kostengünstigen Oberstufe in Leichtbauweise aus Kohlefaserverbundwerkstoff gesichert. In Bremen wird bekanntermaßen die Oberstufe der Ariane bei ArianeGroup entwickelt und gebaut. Insgesamt hätten wir uns im Bereich Space Transportation ein noch deutlicheres Signal auch für Themen der Wiederverwendbarkeit gewünscht. Es bleibt abzuwarten, ob die Ariane 6 somit mittelfristig wettbewerbsfähig bleiben kann.
Darüber hinaus ermöglicht die ESA jetzt auch kleinen, privaten Unternehmen mit Microlaunchern den Start von ESA-Nutzlasten, ein Schritt hin zu mehr Wettbewerb.
Telekommunikation / Technologie
Deutschland hat sich auch für eine Beteiligung zur technologischen Vorbereitung am künftigen Europäischen Satellitenprogramm “IRIS2”, auch bekannt als Secure Connectivity, entschieden. Deutschland hat hier rund die Hälfte von Frankreich gezeichnet, was aber immerhin 189 Millionen Euro ausmacht. Gerade in Bremen gibt es z.B. bei OHB viele Kompetenzen, das Unternehmen wird den Wettbewerb in diesem EU Programm sicher annehmen. Interessant für Bremen ist auch, dass sich Deutschland an der Entwicklung von strategischen Schlüsseltechnologien wie Laserkommunikation oder Quantenverschlüsselung in der satellitenbasierten Informationsübertragung beteiligt. Diese Technologien sind wichtig, um in Europa künftig sicherer und autonomer handeln zu können.
Weltraumsicherheit
Auch hier hat sich Deutschland engagiert und so wird zum Beispiel auch die bei OHB in Bremen begonnene, wichtige Satellitenmission HERA zum Asteroiden “Didymos” fortgeführt werden und soll in 2024 starten (in Folge der NASA Mission “DART”).
Fazit:
Deutschland hat ein starkes Signal für eine Führungsrolle in der europäischen Raumfahrt und der notwendigen Technologieentwicklung gesetzt. Die Raumfahrt in Bremen profitiert insgesamt von den Ergebnissen der ESA-Ministerratskonferenz, das gilt nicht nur für die großen “Primes”, sondern auch für Zulieferunternehmen und Forschungsinstitute.
ZUR PERSON
Siegfried Monser ist seit Anfang 2021 Raumfahrtkoordinator des Landes Bremen. Aufgabe des Koordinators ist es, die Zusammenarbeit besonders mit den Ländern Baden-Württemberg und Bayern, mit dem Bund sowie der EU fortzusetzen. Darüberhinaus pflegt er direkte Kontakte zu den bremischen Unternehmen und Institutionen und ist Botschafter für die Raumfahrtaktivitäten des Landes Bremen.
Seit 2017 war Monser als Communications Business Partner für Airbus Space Systems tätig und hat die Kommunikation rund um die Artemis „Orion“ Mission maßgeblich gestaltet. Zuvor leitete er 13 Jahre lang den Bereich Interne Kommunikation bei Airbus Defence and Space (ehemals Astrium).
Über die Luft- und Raumfahrt Koordinatoren des Landes Bremen
Zur Stärkung und Weiterentwicklung des Luft- und Raumfahrtstandorts Land Bremen wurden jeweils ein Koordinator für die Luftfahrt und ein Koordinator für die Raumfahrt von der Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa beauftragt. Mit den Aufgaben betraut wurden Professor Rolf Henke (Luftfahrt) und Siegfried Monser (Raumfahrt). Dabei gilt es den direkten Kontakt zu den bremischen Unternehmen, Institutionen sowie zur Politik zu pflegen und die Interessen des Landes Bremen bezüglich der Weiterentwicklung der Luft- und Raumfahrtbranche zu unterstützen. Diese Aufgabe erfordert zudem eine enge Abstimmung mit den Bundesländern, dem Bund und der EU. Dabei wirken die Koordinatoren als Botschafter Bremens.