Erstes Europäisches Servicemodul aus Bremen für das NASA-Raumschiff Orion bereit zur Auslieferung
02.11.2018Wissenschaft persönlich: Andreas Vogel
18.11.2018Fünf Jahre DLR Forschungsstelle für maritime Sicherheit in Bremen. Reinhard Wirtz.
12.11.2018: Meere bedecken mehr als zwei Drittel unseres Planeten, Küstenzonen zählen weltweit zu den besonders stark von Menschen beanspruchten Regionen. Ihre Ausrichtung macht die DLR Forschungsstelle für maritime Sicherheit in Bremen zu einer wissenschaftlichen Einrichtung von hoher Relevanz. 2013 wurden die Kartons für einen Umzug vom DLR Earth Observation Center (EOC) im bayerischen Oberpfaffenhofen in die Hansestadt gepackt. Im November 2018 konnte das zehnköpfige Team um Sven Jacobsen, zuvor Mitarbeiter und seit 2016 Leiter der Forschungsstelle, auf ein fünfjähriges Bestehen in der Hansestadt anstoßen. Anlass genug, auf die geleistete Arbeit zu blicken und das Augenmerk auf künftige Perspektiven zu richten.
Jacobsen und sein Team untersuchen maritime Phänomene mit Erdbeobachtssatelliten. Sie entwickeln Algorithmen für Anwendungen und Dienste, die maritime Informationen im Idealfall vollautomatisiert aus Satellitendaten ableiten. Die Themen sind breit gestreut, es geht um Wind, Seegang, Ölverschmutzung, Eisberge, Schiffsbewegungen, Eisklassen und um morphologische Veränderungen an den Küsten, zum Beispiel im Wattenmeer. Um aus systematischer Beobachtung praxistaugliche Software-Werkzeuge für belastbare Informationen und Prognosen zu schmieden, die öffentlichen Einrichtungen, privatwirtschaftlichen Kooperationspartnern sowie Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben als Dienste und Anwendungen zur Verfügung gestellt werden können, sind umfangreiche Entwicklungsarbeiten und Tests erforderlich, vor allem aber ein kontinuierlicher und valider Strom von Daten, den die Spezialisten der Forschungsstelle themenspezifisch verknüpfen und aufbereiten müssen.
Satellitendaten bilden den entscheidenden „Rohstoff“
Ohne den „Rohstoff“ Daten läuft nichts in der Forschungsstelle. Für den steten Datenstrom sorgen Radarsatelliten wie TerraSAR-X, RADARSAT-2 oder Sentinel-1, die in verschiedenen Orbits mit unterschiedlichen Frequenzen und Abdeckungen operieren. Aus ihren Daten werden die verschiedenen maritimen Informationen abgeleitet und können zu einem differenzierten Lagebild zusammengefügt werden, dessen Komplexität und Aussagekraft mit jedem weiteren Datenlayer gesteigert wird.
Das wissenschaftliche Team, das Außenstehenden zunächst „wie ein zusammengewürfelter Haufen“ (Jacobsen) erschienen sein mag, spiegelt bis heute die Vielfalt der Qualifikationen wider, die die breite Themenpalette und die anspruchsvollen Ziele erfordern. Dazu zählen Spezialisten für Software-Engineering, Ingenieure mit Erfahrungen in der Röntgen-Tomografie, Ozeanografen, Geophysiker, aber auch Experten aus der Elektrotechnik, der Signalverarbeitung und Fachleute, die mit dem Einsatz Künstlicher Intelligenz vertraut sind.
Am Beginn stand der lose Verbund wissenschaftlicher Methoden
Den Weg, den die Wissenschaftler und Ingenieure an ihrem Standort in der Airport Stadt Bremen in den vergangenen fünf Jahren zurückgelegt haben, fasst Sven Jacobsen so zusammen: „Am Anfang hatten wir einen losen Verbund von Methoden, die wissenschaftlich funktionierten. Wir haben inzwischen daraus eine modulare, performante und operationelle Software geschaffen, die Nahe-Echtzeit-Kriterien standhält. Wir sind von einer Do-it-Yourself-Lösung zu einer ingenieursmäßig belastbaren Software gekommen, die in den Bodensegmenten eingesetzt wird und die innerhalb weniger Minuten nach Rohdatenempfang Ergebnisse ausliefert – eine Leistung, die alle Kollegen und Kolleginnen hier erbracht haben. Jeder, der das einmal gemacht hat weiß, welch‘ große Anstrengung darin liegt, wie schwierig das ist. Unsere Software ist nicht mehr ausschließlich die Grundlage für ein schönes Wissenschafts-Paper, sondern ein Instrument, das in jedem Fall auch unter widrigsten Umständen zuverlässig sein muss. Das ist die eigentliche Errungenschaft.“
Die ständige Poster-Ausstellung am Sitz der DLR Forschungsstelle für maritime Sicherheit in der Henrich-Focke-Straße 4 illustriert die verschiedenen Arbeitssegmente. Großformatige Radarbilder, gewonnen aus Satellitendaten, muten auf den ersten Blick an wie halb-abstrakte Schwarz-Weiß-Aufnahmen. Tatsächlich bilden sie Areale in der Deutschen Bucht, Hafenfacilitäten in Bremerhaven, Regionen im Wattenmeer, arktische Eisregionen oder auch Windpark-Cluster in der Nordsee aus der Vogelperspektive ab. Unter Berücksichtigung von Besonderheiten der Radarsensorik können die Experten in Bremen weit über die klassische Bildverarbeitung hinausgehen. Korrekt aufbereitet und entschlüsselt liefern sie so wertvolle Informationen über Seegang und Brandung, Schiffsverkehr, Eisvorkommen, Windverhältnisse, Ölverschmutzung, über die schnellen Veränderungen in der Morphologie des Meeresbodens etwa im Wattenmeer und vielerlei Angaben mehr.
Safety and Security – und das möglichst schnell
Mit geschultem Auge lassen sich die Höhe der Containerbrücken in Bremerhaven ebenso ablesen wie gefährliche Presseis-Anhäufungen in der Ostsee, Veränderungen im Meereis durch Driftprozesse oder Verschmutzungen an der Wasseroberfläche durch Öl oder Algen. „Wir wollen ein ganzheitliches Lagebild gewinnen“, beschreibt Forschungsstellenleiter Jacobsen das Ziel der Arbeit. Es geht um safety and security – und um Schnelligkeit, besonders im Katastrophenfall.
Die Anwendungen der Informationsdienste sind vielfältig: Auf der Brücke des deutschen Forschungsschiffes „Polarstern“ weiß man die Aufnahmen der Radar-Satelliten sehr zu schätzen, denn sie helfen, die Routenplanung im Eis zu optimieren und Fahrzeit zu sparen. Die Bundespolizei konsultiert den Portalprototypen des DLR, um satellitenbasierte Informationen abzurufen, bevor sie sich für einen eigenen Einsatz gegen potenzielle Ölverschmutzer in der Deutschen Bucht entscheidet, und Windparkbetreibern können die Bremer DLR-Experten vorrechnen, in welchem Umfang Windschatten und Wirbelschleppen benachbarter Turbinencluster die Effizienz der Anlagen in ihren Windparks reduzieren.
Mit den Algorithmen der Bremer lassen sich auch Trawler und Fabrikschiffe dingfest machen bzw. überführen, die durch AIS-Manipulationen das Regime der Fangquoten zu unterlaufen suchen. Die schnellen Veränderungen im Weltnaturerbe Wattenmeer per Laser zu vermessen, ist so teuer, dass dies nur in größeren Zeitabständen geschieht. Für ein zeitnahes und kostengünstigeres Monitoring mithilfe von Satellitendaten können die DLR-Forscher Module aus eigener Entwicklung zur Verfügung stellen.
Wissenstransfer hat einen hohen Stellenwert
Für das DLR hat Wissenstransfer einen hohen Stellenwert. Die Forschungsstelle für maritime Sicherheit ist daher Kooperationen mit privaten Firmen eingegangen. So nutzt Airbus etwa DLR-Software zur Schiffsdetektion, die Bremer Firma Drift & Noise Polar Service GmbH kooperiert mit den DLR-Spezialisten am Airport Bremen bei der Eisbeobachtung.
Beste Möglichkeiten für Kooperationen und Vernetzung
Forschungsstellenleiter Sven Jacobsen und sein Team wissen den Standort in der Hansestadt zu schätzen, bietet er doch herausragende Möglichkeiten für Kooperationen und Vernetzung. So gibt es gemeinsame Drittmittel-Projektanträge mit dem Zentrum für maritime Tropenökologie in Bremen (ZMT), bei denen es um illegale Fischerei geht, ein Kooperationsprojekt mit dem Zentrum für Technomathematik in Bremen (ZeTeM) zur Navigation in arktischen Passagen, sowie enge Arbeitsbeziehungen zum Institut für Umweltphysik an der Universität Bremen.
„Wir haben hier in Bremen und in einem Radius von gut 100 Kilometern eine extreme Dichte an Forschungseinrichtungen sowie an Firmen, die unserer wissenschaftlichen Ausrichtung nahestehen. Das erleichtert uns die Arbeit und stellt sicher, dass wir nicht an wichtigen Themen vorbeientwickeln“, sagt Sven Jacobsen und nennt als weitere Beispiele die maritime Begleitforschung zur Offshore-Windenergie-Industrie, im benachbarten Oldenburg prominent vertreten durch das ForWind – Zentrum für Windenergieforschung, die Eisforschung, die unter anderem am Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven (AWI) im Fokus steht, und die engen Kontakte zu Reedereien im Norden.
Kooperationen und Vernetzung werden auch künftig nicht nur thematisch ein wichtiges „Lebenselixier“ für die überwiegend drittmittelfinanzierte DLR-Forschungsstelle für maritime Sicherheit in Bremen darstellen. Aus Kontakten entstehen häufig Kooperationen wie diejenige mit dem ZeTeM, die sich im Zuge einer öffentlichkeitswirksamen Präsentation auf der Forschungsmeile der „Maritimen Woche 2018“ in Bremen herauskristallisierte. Das Raumfahrtjahr 2018 mit dem International Astronautical Congress in Bremen (IAC) nutzte das DLR auch mit seiner Forschungsstelle für maritime Sicherheit für eine publikumsträchtige Außendarstellung, die nicht zuletzt zu einer gesteigerten Nachfrage nach Praktika führte.
Innerhalb des DLR sind zurzeit elf wissenschaftliche Institute an den vier Forschungsstellen Braunschweig, Bremen, Neustrelitz und Oberpfaffenhofen direkt mit Arbeiten zur maritimen Verkehrstechnik und Sicherheit betraut, die gemeinsam oder komplementär einen Forschungsbeitrag zum Thema Maritime Sicherheit leisten.
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