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30.08.2023Für das Gelingen der Energiewende ist der (grüne) Wasserstoff unverzichtbar und spielt insbesondere in der kommerziellen Luftfahrt eine immer größere Rolle. Aufbauen lässt sich hier auf den jahrzehntelangen Erfahrungen der Raumfahrt und – auf dem vielfältig vernetzten Know-how der Luft- und Raumfahrt-Akteure im Land Bremen.
Wasserstoff in der Raumfahrt
Wasserstoff ist komprimierbar und sehr viel leichter als andere Treibstoffe, darum widmen sich Forschende weltweit seit den 1950er Jahren dem Thema „Wasserstoff als Raketentreibstoff“. Erstmals im Weltraumeinsatz war Wasserstoff bereits in den 1960ern, unter anderem im Zusammenhang mit der Mondlandung (1969) – als Treibstoff der Trägerrakete sowie der Brennstoffzellen im eigentlichen Raumschiff.
Am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) liefen im Jahr 1967 erstmals Versuche zur Herstellung und Speicherung von Wasserstoff sowie entsprechende Tests mit Raketentriebwerken. 1979 startete schließlich sogar die Ariane-1 Trägerrakete (unter anderem) mit Wasserstoffantrieb.
Starke Partner: Das H2-Netzwerk in Bremen
Die jahrzehntelangen Erfahrungen aus der Raumfahrt kommen nun mehr und mehr auch der Luftfahrt zugute. Im Land Bremen fungieren zudem die vielzitierten kurzen Wege als regelrechte Innovationstreiber. In der City of Aerospace stehen sich die Akteure der Luft- und Raumfahrt sowie zahlreiche Forschungseinrichtungen nicht nur räumlich nahe, sondern nutzen den Austausch tatsächlich ganz gezielt zum Vorantreiben verschiedener vielversprechender Ideen, erklärt Elitsa Pesina*, Referentin Geschäftsstelle Wasserstoffwirtschaft bei der Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa in Bremen: „Weltweit passiert gerade sehr viel im Hinblick auf die Nutzung von Wasserstoff als alternativer Energieträger. Ein Alleinstellungsmerkmal Bremens ist hier die geballte Luft- und Raumfahrtkompetenz sowie das beeindruckende Know-how im Bereich der Forschung, das auch der restlichen Welt ganz sicher nicht verborgen bliebt.“
Zu den jüngsten Erfolgen der Luftfahrtbranche gehört unter anderem die Umrüstung eines A380 – für das Testen von Wasserstoff in der Direktverbrennung – das mit dem „ZEROe demonstrator“ bereits im Jahr 2022 gelungen ist. Die Serienreife klimaneutraler Flugzeuge der „ZEROe concept aircrafts“ plant Airbus für das Jahr 2035.
Jahrzehntelange Erfahrungen mit dem Wasserstoff-Antrieb
Seit Ende der 1970er Jahre werden die Oberstufen der Ariane-Raketen mit flüssigem Wasserstoff angetrieben. Erfahrungen, die der ArianeGroup sowohl zur Leistungssteigerung der Ariane-Raketen als auch zu den Überlegungen hinsichtlich einer emissionsfreien Luftfahrt dienen. Elitsa Pesina: „Nun gilt es, die vielfältigen Erfahrungen aus der Raumfahrt (auch) für die Luftfahrt zu nutzen. Der Vorteil Bremens ist, dass die verschiedenen Akteure bereits in einem guten, engen Austausch sind und ganz klar von den vielfältigen Sichtweisen profitieren. Ob Startup oder Weltkonzern, Forschungseinrichtung, kleiner Zulieferer oder senatorische Behörde – mit der Zusammenführung aller Impulse bringen wir das große Ganze entscheidend voran.“
Zum eng verzahnten Wasserstoff-Netzwerk im Land Bremen gehören neben international tonangebenden Luft- und Raumfahrtakteuren wie Airbus, ArianeGroup und OHB auch kleine und mittelständischen Unternehmen, wie der Zulieferer SAACKE Marine Systems, mit einer außerordentlichen Expertise für Brenner und Kesselanlagen.
Durch verschiedene Kooperationsprojekte der ArianeGroup mit Bremer Partnern wie OHB, Airbus, DLR, FIBRE oder dem Fraunhofer Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung (IFAM) bestehen starke Synergien und somit: maximale Effizienz, z. B. bei der Produktion von speziellen Tanksystemen sowie Wasserstofftanks aus Faserverbundstoff (CFK).
Heute im Fokus: Kryogener Wasserstoff
Um fossile Kraftstoffe in der kommerziellen Luftfahrt durch grünen Wasserstoff zu ersetzen, hat sich Airbus an seinen „Zero-Emission Development Centres“ (ZEDC) in Bremen und Nantes mit Entwicklung von entsprechenden Wasserstofftanksystemen unter der Nutzung von tiefkaltem (kryogenem) Wasserstoff beschäftigt. Zum Hintergrund: Durch die sehr niedrige Temperatur (rund -250 °C oder 20 Kelvin) ist die Energiedichte des kryogenen Wasserstoffs (kurz LH2) groß genug, um langfristig als alternativer Treibstoff für die Luft- und Raumfahrt infrage zu kommen.
Wasserstoff lässt sich auf verschiedene Arten für Flugzeuge nutzen: Airbus setzte dabei in seinem ZEORe Konzept auf die direkte Verbrennung in umgerüsteten Gasturbinen, ergänzt durch Brennstoffzellen die Wasserstoff in elektrische Energie umwandeln. Daraus entsteht ein hocheffizientes Hybrid-Elektro-Antriebssystem.
In Bremen laufen alle Fäden zusammen
Doch um LH2 zukünftig tatsächlich nutzen zu können, sind unterdessen weitere materialwissenschaftlich abgesicherte Aussagen erforderlich. Es gilt, leichte und sichere Tanks sowie Rohrleitungen für die Verwendung von LH2 zu entwickeln und herzustellen.
Elitsa Pesina dazu: „Wasserstoff als Treibstoff wird teurer als herkömmliches Flugzeug-Kerosin sein. Darum ist es wichtig, dass auch die Flugzeugkomponenten und -materialien leichter werden, so dass der Flugpreis bezahlbar bleibt.“ Um den Personenflug zu dekarbonisieren, gehöre neben der Material- und Prozessentwicklung auch die Entwicklung neuer Hochauftriebssysteme, für Flügel und Landeklappen dazu, erklärt Pesina.
Eine entsprechende LH2-Testinfrastruktur existiert bereits im Bremer Technologiezentrum ECOMAT, geplant und aufgebaut durch das Faserinstitut Bremen e.V. (FIBRE) in enger Zusammenarbeit mit dem Institut für Raumfahrtsysteme des DLR.
Neues Zentrum für Feuertests
Eine weitere Herausforderung: Kryogener Wasserstoff in Kombination mit Sauerstoff ist hochentzündbar, so dass ein elementarer Aspekt auf dem Weg zum emissionsfreien Fliegen der Brandschutz ist. Aus diesem Grund plant Airbus ein Zentrum für Feuertests („Fire Safety Certification Centre“) und den Bau entsprechender Anlagen in der Bremer Airport-Stadt. Elitsa Pesina: „Dort wird es ein Kerosinlabor geben, dass zunächst von den Luftfahrtbehörden zugelassen werden muss. Ziel ist es den Bauantrag Mitte 2023 einzureichen und die Anlagen im Jahr 2025 in Betrieb zu nehmen.“
Mit Wasserstoff auf den Mars
Was Mut macht und Mühe und Energie der Beteiligten weiterhin rechtfertigt, sind Erfolgsmeldungen wie diese: Die DLR Ausgründung H2Fly hat mit dem Forschungsflugzeug HY4, einem 4-Sitzer, im April 2022 einen Weltrekord für die größte Flughöhe mit einem Wasserstoffelektrischen Passagierflugzeug aufgestellt.
Ein großer Erfolg, der wiederum der Raumfahrt von Nutzen ist, denn mit leichten und zugleich leistungsstarken Wasserstoff-Antriebssystemen könnte beispielweise ein Marsfahrzeug mit nur einer Tankfüllung rund 1.000 Kilometer weit fahren. Eine weitere Nutzungsidee von Wasserstoff im Zusammenhang mit einer Marsmission ist ein reversibles Wasserstoffsystem, als geschlossener Kreislauf. Die Idee ist die Produktion von Wärme, Strom und Atemluft – gewonnen aus per Elektrolyse gespaltenem Wasser und Solarenergie; zu Wasser- und Sauerstoff.
Ein beeindruckender Fortschritt, der ohne die Erfahrungen aus der Raumfahrt wohl noch lange Zukunftsmusik bliebe.
Bremen und Wasserstoff
Zusammengefasst: Im Bereich Wasserstoff gehört das Land Bremen zu den Vorreitern und die Beteiligten arbeiten Hand in Hand, um diesen Status nicht nur zu erhalten, sondern weiter auszubauen. Die Grundlage hierfür bietet die Wasserstoffstrategie von Land und Senat sowie das Bremer Luft- und Raumfahrtforschungsprogramm (LuRaFo). Darüber hinaus begleiten Bund und EU den Prozess im Rahmen sogenannter IPCEI-Projekte (International Programs of Common European Interest).
Ein weiterer Meilenstein für den Ausbau Norddeutschlands als Wasserstoffhochburg ist das ITZ Nord, ein Wasserstofftechnologiezentrum für die Schiff- und Luftfahrt. Dazu gehört ein Testfeld auf dem Gelände des ehemaligen Flugplatzes Luneort in Bremerhaven. Das Ziel ist eine Test- und Instandhaltungsstruktur für Wasserstoff und das weitere vorantreiben der Wasserstoff-Aktivitäten im Land Bremen.
*ZUR PERSON
Elitsa Pesina ist seit 2022 Referentin in der Geschäftsstelle Wasserstoffwirtschaft bei der Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa in Bremen. Ihr Know-how im Bereich der Luft- und Raumfahrt basiert auf vorangehenden Tätigkeiten bei Airbus und ArianeGroup.
Ankündigung: Zum dritten Mal wird im Herbst dieses Jahres (27. bis 28. September 2023) mit der Hydrogen Technology Expo Europe in Bremen Europas führende Zuliefermesse für Wasserstofftechnologien stattfinden.