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20.10.2022Im Mai 2022 begrüßte das ESA BIC Northern Germany ein neues, innovatives Raumfahrt-Start-up: die PhySens GmbH.
Die PhySens-Mitbegründer Katharina Ostaszewski und Philip Heinisch arbeiteten zuvor gemeinsam als Wissenschaftler:innen am Institut für Geophysik und Extraterrestrische Physik der TU Braunschweig und beschäftigten sich mit der ESA-Mission Rosetta. Dort erkannten sie, dass ihre neuen Methoden zur Magnetfelddatenverarbeitung, mit denen sie zum Beispiel den genauen Standort des Rosetta-Landers bestimmten, auch in der Industrie von Bedeutung sein könnten.
Sie begannen, ihre neue Technologie in der Industrie zu testen. Henriette Struckmann, die damals mit Katharina Ostaszewski Tennis spielte und gerade ihr BWL-Studium beendete, fand die Arbeit der beiden Wissenschaftler:innen faszinierend und half ihnen in der Testphase. Dies geschah zuerst auf einer Modelleisenbahn und anschließend auf einer kleinen Privatbahn eines Bekannten. Dabei stellten die drei fest, dass sie gut zusammenarbeiten und dass Henriettes betriebswirtschaftlicher Hintergrund die Arbeit der Wissenschaftler:innen perfekt ergänzt. Gegen Ende 2020 wurde Henriette offiziell Teil des Gründungsteams.
Im Juni 2020 erhielt das PhySens-Team ein EXIST-Gründerstipendium des ehemaligen Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie und des Europäischen Sozialfonds (ESF) der Europäischen Union in Höhe von 100.000 Euro. Im Januar 2021 wurde die PhySens GmbH offiziell gegründet.
Strom messen, ohne den Ablauf zu stören
Das PhySens-Team fand schnell verschiedene industrielle Anwendungen für seine Technologie. Die erste war die Überwachung elektrischer Geräte und Ausrüstungen – ähnlich ihrer Arbeit an der Rosetta-Mission. Normalerweise überprüfen Elektriker:innen regelmäßig den Stromverbrauch, um Maschinen zu überwachen. Wenn ein Gerät mehr Strom verbraucht als erwartet, liegt meist ein Defekt vor. Entsprechend muss der Stromkreis geöffnet und ein Messgerät angeschlossen werden. Ein zeitaufwändiger und potenziell gefährlicher Eingriff. Um dieses Problem zu umgehen, entwickelt PhySens einen berührungslosen Sensor, der einfach auf das Kabel aufgesetzt werden kann und die Ströme misst. Dies ist risikoarm und hält den Betriebsablauf aufrecht.
Regulierung des Stromflusses zwischen den Ladestationen
Elektromobilität ist die Zukunft, aber verstärktes, zeitgleiches Laden von Elektrofahrzeugen an Ladestationen verschiedener Hersteller kann zu Stromausfällen führen. Dies liegt daran, dass die Ladestationen nicht in der Lage sind, miteinander oder mit dem Netz zu kommunizieren und den Stromfluss zu regulieren. PhySens hat auf der Grundlage seiner Technologie zur Erfassung des elektrischen Stroms einen Stecker entwickelt, der zwischen den verschiedenen Ladestationen und dem Auto angeschlossen wird und die Kommunikation zwischen den verschiedenen Ladestationen, den Autos und dem Netz ermöglicht. Dadurch wird sichergestellt, dass der Strom effektiv verteilt wird, jedes Auto so schnell wie möglich geladen werden kann und Stromausfälle vermieden werden.
PhySens arbeitet auch daran, diese Sensoren zur Messung des Stromverbrauchs von E-Autos zu Abrechnungszwecken einzusetzen. Derzeit gibt es für Personen mit Firmen-Elektroautos keine praktische Lösung, den Stromverbrauch ihres Fahrzeugs exklusive ihres häuslichen Verbrauchs zu messen. Unternehmen erstatten ihren Mitarbeitern in der Regel eine Pauschalzahlung für den Strom. Die PhySens-Technologie kann den Stromverbrauch zum Laden von E-Autos genau messen. Dies macht in Zukunft hoffentlich auch ihren Besitz finanziell attraktiver.
Optimierung des Zugverkehrs
Auch die Optimierung der Nutzung von Bahngleisen ist ein Ziel, das das PhySens-Team mit seiner Technologie verfolgt. Nach Experimenten mit Modelleisenbahnen und Tests auf stillgelegten Gleisen konnte PhySens bestätigen, dass ihre Sensoren und Datenauswertungsmethoden die Überwachung der Eisenbahninfrastruktur, insbesondere von Weichen und Bahnübergängen, ermöglichen. So können Bahnunternehmen Probleme frühzeitig erkennen, bevor Gleise unerwartet gesperrt werden müssen. Inzwischen ist PhySens von Modellbahnstrecken auf reale Gleisanlagen umgestiegen und testen ihre Sensoren derzeit mit der Deutschen Bahn.
Anerkennung aus der Industrie
Kurz nach der offiziellen Firmengründung im Jahr 2021 nahm die PhySens GmbH am Innospace Masters-Wettbewerb teil. Das Team reichten zwei Beiträge ein und gewannen mit ihren Stromsensoren den ersten Preis in der ESA BIC Challenge. Mit ihren Punktsensoren gewannen Sie außerdem die DB Netz AG Challenge und letztlich auch den Gesamtwettbewerb. Im Rahmen dieses Wettbewerbs wurden sie zugleich vom ESA BIC Northern Germany unterstützt.
Und ihr Erfolgslauf ist noch nicht am Ende. Das Team hat gerade erfahren, dass es zu den sieben besten Unternehmen gehört, die am EIT-Wettbewerb für urbane Mobilität teilgenommen haben. Als Teil ihres Preises haben sie die Chance gewonnen, ihren E-Mobilitätsstecker in Barcelona gemeinsam mit einem internationalen Industriepartner zu testen. Darüber hinaus hat das Unternehmen bei der Anmeldung und Registrierung seiner Patente große Fortschritte gemacht.
„Wir könnten nicht begeisterter sein„, sagt Mitgründerin Henriette Struckmann. „Neben unserem Erfolg bei diesen Branchenwettbewerben sind wir auch sehr stolz, dass wir mit unseren Patenten schon so weit sind. Wir haben bisher sehr viel Zeit in diese investiert und der rechtliche Schutz unserer Produkte wird in Zukunft eine wichtige Rolle für unser Geschäft spielen.“
Eine mag(net)ische Zukunft
Wie sieht nun die Zukunft von PhySens aus? „Wir wollen noch härter arbeiten und dabei den Spaß nicht verlieren„, erklärt Henriette Struckmann. „Wir hoffen, dass wir in fünf bis sechs Jahren unser engagiertes Mitarbeiterteam deutlich vergrößert haben werden. Im Moment konzentrieren wir uns auf unsere Produkte, aber hoffentlich können wir uns in naher Zukunft mit unserem Marketing und unserer Positionierung befassen. Wir hoffen, dass wir die Probleme in der Lieferkette entschärfen und mit der Produktion beginnen können, so dass in absehbarer Zeit vielleicht sogar ein PhySens-Verbraucherprodukt auf den Markt kommen wird.“
Über ESA BIC Northern Germany
Das Inkubationszentrum (BIC) der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) in Norddeutschland (ESA BIC Northern Germany) hat seinen Sitz gemeinsam mit dem Luft- und Raumfahrtverband des Landes Bremen AviaSpace Bremen im BITZ, Bremens größtem Innovations- und Technologiezentrum für Hightech-Unternehmen und Startups. Das ESA BIC Northern Germany bringt neue Startup-Impulse in die Region und stärkt somit das Innovationscluster Luft- und Raumfahrt des Landes Bremen. Der AviaSpace Bremen unterstützt die Raumfahrt Incubatees mit seinem Netzwerk, der Öffentlichkeitsarbeit und gezielten Coachings nicht nur während der Inkubationszeit, sondern auch in der Phase der Antragsstellung und im Anschluss als Alumni. Das Starthaus ist die zentrale Anlaufstelle im Bremer Gründungsökosystem und unterstützt die Startups zu allen Fragestellungen der Geschäftsentwicklung sowie zur Finanzierung. Gemanagt wird das ESA BIC Northern Germany von der Anwendungszentrum GmbH Oberpfaffenhofen (AZO), einem internationalen Netzwerk- und Brandingunternehmen für europäische Raumfahrtprogramme.
Seit 2021 bietet das ESA BIC Northern Germany seinen Service auch an Startups mit Raumfahrtbezug in Schleswig-Holstein an. Das Technikzentrum Lübeck mit GATEWAY49, AviaSpace Bremen und AZO betreiben gemeinsam diese Erweiterung des ESA BIC Northern Germany. Es ist weiterhin geplant das ESA BIC Northern Germany auf die nördlichen Bundesländer Hamburg, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin-Brandenburg auszuweiten.